Einem Strafgefangenen, der durch die Gewalttat eines Mithäftlings verletzt worden ist, ist Gewaltopferentschädigung nur ausnahmsweise zu versagen. Allein der Umstand, dass er wegen einer eigenen Straftat inhaftiert ist, ist kein Grund die Opferentschädigung gem. § 2 Abs. 1 OEG zu versagen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.
Dem aus Togo stammenden Kläger wurde während der Verbüßung einer fünfjährigen Haftstrafe (wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln) von einem kosovo-albanischen Mitgefangenen in der Justizvollzugsanstalt durch einen Fausthieb das linke Auge ausgeschlagen, nachdem er sich in die Mannschaftsliste für ein Fußballspiel eingetragen hatte. Der beklagte Freistaat versagte Gewaltopferentschädigung als unbillig (§ 2 Abs. 1 Opferentschädigungsgesetz OEG) mit der Begründung, der Kläger habe durch seine eigene Straftat eine wesentliche Bedingung für die mit den Verhältnissen des Strafvollzuges zusammenhängende Gewalttat gesetzt.

Das Sozialgericht hat den Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz verurteilt; das Landessozialgericht hat diese Entscheidung bestätigt: Durch die Gewalttat habe sich keine typische Gefahr der Inhaftierung verwirklicht. Ein vergleichbarer Angriff könne bei Meinungsverschiedenheiten auch außerhalb des Strafvollzuges vorkommen.

Das BSG hat die dagegen gerichtete Revision des Beklagten zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG für eine Versagung der Entschädigung liegen nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Landessozialgerichts nicht vor. Zum einen hat der Kläger seine Schädigung nicht unmittelbar selbst mitverursacht. Zum anderen ist es auch nicht aus sonstigen Gründen unbillig, ihm Entschädigung zu gewähren. Allein der Umstand, dass der Kläger wegen seiner eigenen Straftat inhaftiert worden ist, reicht insoweit nicht aus. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die erlittene Schädigung in einem inneren Zusammenhang mit früheren Straftaten des Klägers steht oder dass sich der Kläger innerhalb der Anstalt an kriminellen Aktivitäten beteiligt hat, auf denen der gegen ihn gerichtete Angriff beruhen könnte. Damit scheidet eine Unbilligkeit aus, weil die Gewalttat des Mithäftlings in den Verantwortungsbereich des staatlichen Strafvollzuges fällt. Seine Rechtsprechung, nach der eine Entschädigung unbillig sein kann, wenn sich in dem Angriff eine „gefängniseigentümliche Gefahr des Strafvollzuges“ verwirklicht hat (BSGE 88, 103 = SozR 3-3800 § 1 Nr. 19), gibt der Senat auf.

Opferentschädigungsgesetz

§ 2 Versagungsgründe
(1) Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. …

Angaben zum Gericht:
Gericht: Bundessozialgericht
Entscheidungsart: Urteil
Datum: 29.03.2007
Aktenzeichen: B 9a VG 2/05 R

Sandra Stobbe

Rechtsanwältin

Rechtsanwalts- und Notarkanzlei
Willig, Koch & Kollegen GbR
Hildesheimer Straße 124

30880 Laatzen

Telefon: (05 11) 87 57 27 0
Telefax: (05 11) 87 11 02